Früher gab es noch richtig erklärungsbedürftige Anwendungssoftware mit vielen Knöpfen und verschachtelten Untermenüs. Heute ist das User Interface trivialisiert, durch das Smartphone und mit der App durch den UX-Designer verschlankt, weichgespült und dahingerafft. Intuitive Benutzerführung und Bedienungssicherheit hat überall Vorrang. Beklagenswert!
Und der Wassersport? Auch die Komplexität eines selbstbedienten Schleusungsvorgangs wird vor dem Benutzer abgeschirmt. In der Regel wird dieser vom Schiff aus eingeleitet, etwa durch die Betätigung eines Anforderungsschalters im Vorhafen. Die Fortsetzung der Schleusung erfolgt nach Einfahrt durch Betätigung des Weiterschleusungsschalters, wenn alle in die Kammer eingefahren sind. Im Idealfall wird das alles durch den Automat geeignet quittiert und durch die eine oder andere Anzeigetafel mit Statusmeldungen begleitet, die Ein- und Ausfahrt durch Lichtsignale geregelt. Not-AUS-Schalter runden das Setup ab, aber eigentlich besteht das Interface aus zwei Drehgriffen. Entsprechend dieser oder dieser Anleitung im Grundsatz eher banal, wenn man davon absieht, dass z.B. die Schleuse Lintig eine explizite Torschließung durch die Betätigung des dritten Drehgriffs nach der Ausfahrt erwartet.
Nur eine Minderheit unter den selbstbedienten Schleusen hat sich bis heute dieser Automatisierungsphilosophie widersetzen können, so etwa die Schleuse Oldau (Aller). Man begegnet hier dem Schiffsführer auf Augenhöhe, präsentiert wird ein custom interface für Kenner, gemacht von Ingenieuren für den technisch Sachverständigen. Hier lebt man auf! Erst einmal einen Überblick verschaffen: Vier Kern-Bedienknöpfe plus zwei Sonderfunktionen, zehn Signal-LEDs, und das jeweils getrennt an Ober- und Unterhaupt. Komplementiert wird dies mit einer Erläuterungstafel, die sich bemüht, den Bedienungskontext der Anlage durch ein Flussdiagramm zu vermitteln. Das setzt Maßstäbe. Respekt!
Interessant wird aber erst, wenn man der Anlage in eingeschaltetem Zustand begegnet. Auf diesem Fotodokument der HAZ leuchten einige Bedienelemente grün, offenbar ist das dann keine Statusmeldung, sondern signalisiert die Auswählbarkeit dieser Option. Kann man also hier sowohl „Schütz auf“ oder „Schütz zu“ ansteuern? Ist das Schütz denn jetzt halb offen? Und die Betätigung würde im Idealfall zu einer Statusmeldung unter „Freigabe Schütz“ führen? Die LED für „Tor zu“ leuchtet ebenfalls grün. Kann man es trotzdem zum Schließen auswählen? Wie kommt man zur „Freigabe Tor“? Was sagt das Flussdiagramm?
Hmm, wir stehen hier am Oberhaupt, und das Tor ist zu. Aber der Kenner sieht schon unter den Signallampen der „Kontrolle“-Rubrik den Hinweis „UH Schütz geöffnet“ und ihm dämmert, dass er ohnehin am falschem Bedienterminal steht. Es gilt zunächst, sich um die Lage am Unterhaupt zu kümmern. Man ahnt, dass der Wassersportler im Rahmen der Einarbeitung die Gelegenheit erhalten wird, zwischen den Bedienterminals noch mehrfach zu pendeln – auch, um neu eintreffende Kundschaft von überlagernden Eingriffen am anderen Schleusenende abzuhalten.
Übrigens: Der Autor war der Auffassung, das Bedienkonzept durchschaut zu haben, ist vor elf Jahren an dieser Schleuse aber gescheitert. Entweder klemmte das „UH Schütz“ tatsächlich oder nur der dazugehörigen Endlagenschalter, aber zum Status „Freigabe Schütz“ war die Schleuse nicht zu motivieren. Der Schleusenmeister musste herbeigerufen werden…