Oktober 2017: Aufatmen! Maut-Minister Dobrindt wurde schon im Sommer ausgezeichnet… …und erhält nun seine Entlassungsurkunde. Am Vortag hatte er noch eine Baufreigabe für den sechsspurigen Ausbau der A3 zwischen Passau und Nürnberg erteilt. Hoffen wir, dass darunter nicht die Weiterentwicklung der Wasserstrassen-Infrastruktur leidet. Welche Impulse wird der nächste Koalitionsvertrag für Wasserwege, Infrastruktur und Freizeitschifffahrt setzen? Bleibt es beim bayrischen Erbhof? Andreas Scheuer war schon mal Staatssekretär unter Peter Ramsauer. Oder wird ein Grüner Verkehrsminister?
Februar 2018. Inzwischen leidet die Weiterentwicklung der Wasserstrassen-Infrastruktur. Mit dem Baufortschritt der 5. NOK-Schleuse Brunsbüttel sieht es nicht gut aus! Die ebenfalls von der WSV geleitete Sanierung des Kanaltunnels Rendsburg dauert auch schon seine Zeit und fällt etwas teurer aus. Wir blenden die ausstehenden Schleusen- und Hochbrückensanierungen an dieser Stelle lieber aus.
Stattdessen riskieren wir einen Blick in den Koalitionsvertrag:
- Seite 82: Wir wollen digitale Technologien und den automatisierten Betrieb in der Schifffahrt, den Häfen und der maritimen Lieferkette vorantreiben. (In Erinnerung dieses Aushangs: Was macht eigentlich die Sportboot-Bezahl-App für den Nord-Ostsee-Kanal?)
- Immer noch Seite 82: Wir werden die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) zügig umsetzen. (Wirklich? Die Darstellung der Reformidee, der Selbstwahrnehmung und der Konfliktlinien wäre einen eigenen Beitrag wert. Siehe auch weiter unten.)
- Seite 83: Für die ausschließlich dem Tourismus oder Sport dienenden Nebenwasserstraßen des Bundes wollen wir entsprechend der Befahrbarkeit neue Prioritäten setzen und diese unterstützen. Wir streben an, zusammen mit den Bundesländern und Regionen neue Konzepte für die einzelnen Wasserwege zu entwickeln. (Der Kenner liest hier eine wirtschaftliche Förderung des Kanuwanderns, des Standup-Paddling-Tourismus und von Hausboot-Charterbasen heraus, wenn die Nebenwasserstraßen erstmal aus der Unterhaltsverantwortung des Bundes entlassen worden sind. Der Wassersportler, der diesen Beitrag der Initiaitive „Blaues Band Deutschland“ ziert, ist bereits auf der falschen Fahrwasserseite unterwegs).
März 2018. Der geschäftsführende Minister Schmidt stärkt die Schifffahrtsnation Deutschland, schützt das kulturelle Erbe der Traditionsschifffahrt und macht die Schiffe jetzt fit für die Zukunft, wie hier unter Beweis gestellt wird. Es gibt Schnittchen!
Und: An dem Ministerkandidaten Andreas Scheuer kommt keiner vorbei. Das schließlich neben Verkehr auch schon länger für die digitale Infrastruktur zuständige Ministerium feuert inzwischen parallel über die Rohre Instagram, Flickr, Twitter, Youtube und Soundcloud, um über Presseauftritte und Verlautbarungen des Leitungspersonals in Kenntnis zu setzen – hier zum Beispiel ein O-Ton des Ministers. Die Parteigenossin Dorothee Bär übernimmt die querschnittliche Federführung als Staatsministerin für Digitalisierung bei der Bundeskanzlerin im Kabinett Merkel IV. Glückauf!
Damit müsste jetzt auch langsam Bewegung in die für Mitte 2016 angekündigte elektronische Sportboot-Inkasso-Lösung des Nord-Ostsee-Kanals kommen. Tatsächlich gibt es Neuigkeiten! Die Kassenautomaten in Holtenau gehen zum 1. April 2018 live. Kein Scherz! Die NOK-Gratiskultur endet, die Entrichtung der Befahrensabgaben für Sportboote wird wiederaufgenommen. Ein Automat steht auf einem Schwimmsteg am nördlichen Kanalufer, der andere an der Sportbootliegestelle westlich des Tiessenkais. Die „User Experience“ lässt sich noch nicht bewerten, er zeigt sich hier im März noch schamhaft verhüllt.
Nun trägt das Ministerium den mutmaßlichen Anspruch im Namen, die Herausforderungen der Digitalisierung nicht nur zu meistern, sondern diese aktiv zu steuern. Von der Sportboot-Bezahl-App scheint keine Rede mehr zu sein. Was ist jetzt mit der „Internetanwendung“? Die Generaldirektion räumt ein: „Ein Internet-Bezahlportal wird derzeit vorbereitet. Damit die Zahlungen sicher verbucht werden können, sind etliche Vorschriften zu beachten.“ Alles gar nicht so einfach!
„Mit der Freischaltung des Inkassosystems per Internet wird das Zahlen der Gebühren für die Sportbootfahrer im NOK noch einfacher und moderner. Ein konkreter Termin für die Freischaltung kann derzeit noch nicht genannt werden“. Laut Flyer kann man in Brunsbüttel nur dann bezahlen, wenn man den Kontrolleur zu seinen Dienstzeiten an der Sportbootliegestelle antrifft. Dessen Anwesenheit wird schon auf der Übersichtskarte mit dem Attribut „sporadisch“ belegt. Das verspricht einen günstigen Trip in Richtung Westen! Offenbar ist in Brunsbüttel einfach kein Platz für so einen komplizierten Fahrschein-Kassenautomaten. Oder gar einen Schwimmsteg.
Wir stellen uns das idealtypisch so vor: Das Einfahrtssignal für die Schleuse erfolgt grundsätzlich individualisiert, entsprechend der letzten vier Stellen der Endnummer von Karte oder Ticket. Die Freigabe wird dann erteilt, wenn ein Ausdruck (respektive das Endgeräte-Display) mit dem QR-Code eines NOKTrip.de-Onlinetickets an dem Lesegerät im Vorhafen gescannt werden konnte. Alternativ tippt der Skipper einen zehnstelligen Einmalcode ins Terminal; ein derartiges Ticket kann über einen Anruf bei Behördennummer 115 (http://www.115.de) unbürokratisch, aber kostenpflichtig erworben werden.
Als Inhaber der NOKard nutzt man bevorzugt den NFC-Kartenleser am gleichen Ort. NOKard-Schleusungen werden mit 100% Ökostrom umgesetzt! Das Rabattierungssystem der NOKard macht sich auch für Gelegenheitsschleuser bezahlt, ihr Erwerb ist aber an ein Lastschriftverfahren gebunden. Naheliegende Kundenbindungsmaßnahme: Kanaltrips mit der NOKard ermöglichen das Sammeln von Bonuspunkten („Meilenkonto“), einsetzbar für Freischleusungen oder im Tausch für Duschmarken, etwa für die Sanitäranlagen an der Gieselauschleuse. Und die NOKard 25 bietet vor allem an den verkehrsseitig aufkommensschwachen sog. Flautentagen (Montag bis Mittwoch) zusätzliche Sparvorteile!
April 2018. Mit einer anderen App kommt das Ministerium hingegen planmäßig voran: BM Andreas Scheuer packt zu und kündigt die Jagd auf die weißen Flecken im Mobilfunknetz an. Mit der schon im Koalitionsvertrag (S.39) definierten und noch in diesem Jahr von der Bundesnetzagentur zu realisierenden „Funkloch-App“ wird es möglich sein, die Netz-Schwachstellen endlich aufzuspüren und die „für eine Wirtschaftsnation untragbaren“ Zustände zu beenden. Man sagt, dass gerade am NOK so mancher Uferabschnitt unterversorgt sei!
Ein Fundstück zur Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV): Nach dem WSV-Zuständigkeitsanpassungsgesetz bzw. der WSV-Zuständigkeitsanpassungsverordnung ist die Amtsbezeichnung an diesem Holtenauer Gebäude seit Anfang Juni 2016 nicht länger zulässig, denn „damit erfolgte u. a. die formelle Umbenennung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Wasserstraßen– und Schifffahrtsverwaltung sowie der Wasser- und Schifffahrtsämter in Wasserstraßen– und Schifffahrtsämter“.